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Was Sie schon immer zum Franchiserecht wissen wollten..

Jan Patrick Giesler: Herzlich willkommen! Ich freue mich auf Ihre Fragen. Sie können mir heute jede Frage zum Thema "Franchiserecht" stellen, die Sie interessiert.

Leser: Guten Morgen Herr Dr. Giesler: Darf der Franchisegeber Festlegungen im Vertrag treffen, die nach Vertragsende eintreten (z.B. Kundenschutz)?

Jan Patrick Giesler: Guten Morgen! Vertragsbestimmungen, die den Zeitraum nach Beendigung des Franchisevertrages betreffen, sind zulässig und üblich. Häufig anzutreffen sind insbesondere Regelungen, welche den nachvertraglichen Wettbewerb durch den Franchisenehmer einschränken sollen. Dies sind Wettbewerbsverbote oder Kundenschutzregelungen. Derartige Regelungen unterliegen jedoch engen Beschränkungen; sie müssen sowohl zeitlich als auch räumlich eingeschränkt sein. Darüber hinaus hat der Franchisenehmer, der in dieser Weise nach Vertragsbeendigung eingeschränkt wird, einen Anspruch auf Entschädigung für diesen Zeitraum.

Leser: Sehr geehrter Herr Doktor Giesler. Welche Konsequenzen haben fehlerhafte oder unzureichende Angaben des Franchise-Gebers im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung ?

Jan Patrick Giesler: Es gibt in unserer Rechtsordnung den Grundsatz, dass ein Verhandlungspartner nicht durch falsche Informationen über wesentliche Grundlagen dazu gebracht werden darf, einen Vertrag zu unterzeichnen. Auch unter zukünftigen Vertragspartnern gibt es gewisse Pflichten. Darüber hinaus werden im Bereich des Franchising vorvertragliche Aufklärungspflichten des Franchisegebers angenommen, so dass auch das Verschweigen von wichtigen Umständen relevant ist. Die Verletzung von derartigen vorvertraglichen Pflichten kann zu einer Haftung des Franchisegebers führen. Er haftet dann für die Verluste, die dem Franchisenehmer durch den Betrieb seines Outlets entstehen. Zu beachten ist allerdings, dass im Bereich der Prognosen Sonderregeln bestehen. Ein Franchisegeber haftet nicht bereits deshalb, weil sich eine Prognose nicht erfüllt hat. Es bleibt nämlich dabei, dass der Franchisenehmer das unternehmerische Risiko zu tragen hat. Eine Haftung für Prognosen kann jedoch eintreten, wenn bereits die Grundlagen der Prognose falsch waren.

Leser: Hallo Herr Dr. Giesler, warum gibt es kein Franchise-Gesetz, das Franchisegebern und -nehmern mehr Rechtssicherheit bietet?

Jan Patrick Giesler: Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung in Deutschland ist schon häufig bedauert worden. In anderen Ländern (z.B. Frankreich, Spanien und seit kurzem Italien) gibt es gesetzliche Regelungen zum Franchising; dort werden jedenfalls Teilaspekte geregelt. Das Fehlen eines Franchise-Gesetzes hat wohl viele Ursachen. Dies beginnt damit, dass der Begriff "Franchising" bislang nicht klar genug umrissen ist, so dass unklar wäre, auf welche Sachverhalte das Gesetz Anwendungen finden könnte. Darüber hinaus hat wohl bislang die politische Initiative gefehlt. Gesetzgebung ist auch immer "Regulierung" und der Gesetzgeber hat wohl bislang nicht erkannt, dass ein Franchisegesetz so wesentliche Vorteile bringen könnte, dass der Eingriff in das Marktgeschehen dadurch gerechtfertigt wäre. Der Deutsche Franchise-Nehmer Verband setzt sich seit 1997 für die Schaffung eines Franchise-Gesetzes ein. Ich möchte noch anmerken, dass die Rechtsunsicherheit im Franchising nicht so groß ist, wie manchmal behauptet wird. Es gibt eine Menge Bereiche unseres Wirtschaftslebens, die nicht durch Spezialgesetze geregelt sind (z.B. Leasing).

Leser: Gibt es bei der rechtlichen Betrachtung von Franchise- und Lizenzsystemen irgendwelche Unterschiede ? Sind Franchisesysteme vertrauenswürdiger ?

Jan Patrick Giesler: Hierzu sind drei Dinge anzumerken. Erste Anmerkung: In der Praxis werden die Begriffe "Franchisevertrag" und "Lizenzvertrag" häufig vermischt. Systeme, die relativ eindeutig dem Franchising zuzuordnen sind, nennen sich "Lizenzsystem" und umgekehrt. Gelegentlich ist auch von einer "Franchise-Lizenz" die Rede. Man muss also sehr genau hinschauen und feststellen, welche Regeln und Vorteile in einem System bestehen, um sicher zu gehen, dass das System geeignet ist. Das "Etikett", das sich ein System gibt, ist häufig ohne Bedeutung für den "Inhalt". Zweite Anmerkung: Rechtlich gibt es, wenn die Bezeichnungen korrekt gebraucht werden, sehr deutliche Unterschiede. Eine Lizenz ist lediglich ein Nutzungsrecht an einem Schutzrecht (z.B. Marke) oder an einem Know-how. Franchising geht weit darüber hinaus: Neben der Lizenz, die auch dazu gehört, bestehen eine Vielzahl von wechselseitigen Rechten und Pflichten, z.B. in Form einer aktiven Unterstützung durch den Franchisegeber. Dritte Anmerkung: Man kann nicht allgemein sagen, dass Franchisesysteme vertrauenswürdiger sind. Es kommt eher darauf an, welche Vorstellungen und Ziele Sie mit Ihrem Eintritt in ein System verbinden.

Leser: Wonach richtet sich denn der Entschädigungsanspruch bei Wettbewerbsverboten oder Kundenschutz-Regelungen?

Jan Patrick Giesler: Wenn der nachvertragliche Wettbewerb vertraglich eingeschränkt wird (d.h. das Recht des Franchisenehmers, nach Vertragsbeendigung seinen Betrieb außerhalb des Franchisesystems fortzuführen), besteht ein Entschädigungsanspruch. Dieser Anspruch ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 90a Handelsgesetzbuch. Dort ist das Gleiche für den Handelsvertreter geregelt. Das Gesetz legt fest, dass eine "angemessene Entschädigung" zu zahlen ist. Wie hoch die Entschädigung ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Bei dem Handelsvertreter wird ein bestimmter Prozentsatz (z.B. 25%) seiner zuletzt monatlich verdienen Provision als Entschädigung festgesetzt. Bei einem Franchisenehmer kann als Bezugsgröße auf seinen zuletzt erzielten Gewinn abgestellt werden oder auf eine "übliche" Handelsvertreter-Provision. Der Entschädigungsanspruch kann übrigens nicht vertraglich ausgeschlossen werden; eine solche Regelung wäre unwirksam.

Leser: Inwiefern wird die neue Gruppenfreistellungsverordnung die inhaltliche Gestaltung des Franchising beeinflussen?

Jan Patrick Giesler: Die "EU Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" (Vertikal-GVO) gilt bereits seit einigen Jahren und hatte bereits Auswirkungen auf die Gestaltung des Franchising. Zum Verständnis ist zunächst anzumerken, dass in der Vertikal-GVO geregelt wird, dass bestimmte Vertragsklauseln, die gegen das Kartellverbot der EU verstoßen würden, von diesem Verbot freigestellt werden. Daher ist die Vertikal-GVO nur von Bedeutung, wenn das Franchisesystem überhaupt unter das Europäische Kartellrecht fällt. Dies ist nur bei einem sehr kleinen Teil der deutschen Franchisesysteme der Fall. Die Bedeutung der Vertikal-GVO wird insoweit häufig überschätzt; hier gibt es eine Menge Mißverständnisse. Wenn jedoch ein Franchisesystem unter das Kartellverbot der EU fällt und keine andere Ausnahme für sich in Anspruch nehmen kann, müssen bestimmte Teile des Franchisevertrages an der Vertikal-GVO ausgerichtet werden. Eine Auswirkung der Vertikal-GVO ist z.B., dass viele Franchisegeber nur noch 5-Jahres-Verträge anbieten, weil vertragliche Wettbewerbsverbote bei Anwendbarkeit des Europäischen Kartellrechts nicht länger als 5 Jahre vereinbart werden können (wobei es auch davon wieder Ausnahmen gibt).

Leser: Rechnen Sie damit, dass Franchising durch neue Kooperationsformen ersetzt wird oder ist es so flexibel, dass es neue Formen integrieren kann ?

Jan Patrick Giesler: Im Moment ist nicht erkennbar, dass neue Kooperationsformen zu einer Verdrängung des Franchising führen werden. Ohnehin werden unter dem Begriff "Franchising" ganz unterschiedliche Formen der Kooperation von Unternehmen in Netzwerken geführt. Es gibt übrigens Theoretiker, die seit vielen Jahren behaupten, es sei eine kooperative Form des Franchising (Kooperationsfranchising, Partnerschaftsfranchising) auf dem Vormarsch. Ich kann das aus der Praxis nicht bestätigen.

Leser: Ist ein 'normaler'Anwalt in der Lage, ein Franchise-Angebot in rechtlicher Hinsicht zu beurteilen oder sind Spezialisten dafür erforderlich ?

Jan Patrick Giesler: In der juristischen Ausbildung spielt Franchiserecht keine Rolle. Es handelt sich um ein Spezialgebiet, das den Juristen nicht beigebracht wird. Ein "normaler" Rechtsanwalt ist deshalb im Regelfall weniger geeignet, ein Franchiseangebot rechtlich zu beurteilen. Er würde jedenfalls ein Vielfaches an Zeit benötigen als ein Spezialist. Die Gefahr, dass der "normale" Anwalt einen Aspekt übersieht, ist sicherlich höher. Dafür wäre der Franchise-Spezialist vielleicht mit einem Scheidungsmandat überfordert. Unsere Rechtsordnung wird leider ständig komplizierter und verlangt Spezialisten.

Leser: Welche Kosten entstehen mir bei der Prüfung eines Franchise-Vertrage durch einen spezialisierten Anwalt? Sind die Franchisegeber überhaupt zu einer Änderung ihres Standardvertrages bereit?

Jan Patrick Giesler: Die Kosten für eine vernünftige Vertragsprüfung liegen zwischen € 500 und € 1000. Es ist allerdings schwer, hier für alle Rechtsanwälte zu sprechen. Normalerweise werden solche Prüfungen nach Zeitaufwand bezahlt; dann ist die vorstehende Schätzung sicherlich richtig. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass ein solches Mandat von einem Rechtsanwalt nach der BRAGO (Gebührenordnung der Rechtsanwälte) abgerechnet wird; die Kosten können dann durchaus höher liegen. Am besten erkundigen Sie sich bei dem Rechtsanwalt Ihrer Wahl vorher und legen das Honorar schriftlich fest. Zu Ihrer zweiten Frage: Vor allem in neueren Franchisesystemen sind die Franchisegeber durchaus bereit, in gewissem Umfang Vertragsänderungen zu akzeptieren. Normalerweise wird der Text des Standardvertrages nicht angetastet und die ausgehandelten Sonderregelungen werden in einer Zusatzvereinbarung festgehalten.

Leser: Welche rechtlichen Anpassungen seines Franchisekonzeptes muss beispielsweise ein amerikanisches System bedenken, wenn es nach Deutschland expandieren moechte?

Jan Patrick Giesler: Die Anpassungen können in zwei Hauptbereichen notwendig werden. Erster Bereich: Es muss unter Umständen das dem System zugrundeliegende Geschäftskonzept der deutschen Rechtsordnung angepasst werden. Beispiel: In Deutschland können Handwerkerleistungen grundsätzlich nur von Betrieben angeboten werden, in denen ein Handwerksmeister tätig ist. Ein Franchisesystem, das Handwerksleistungen anbietet, müsste angepasst werden (für dieses Problem gibt es natürlich Lösungen). Zweiter Bereich: Der Franchisevertrag sollte für Deutschland neu gestaltet werden. Die reine Übersetzung eines Vertrages aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum birgt enorme Risiken. Abgesehen davon wird kaum ein deutscher Franchisenehmer bereit sein, ein amerikanisches 80seitiges "Vertragsungetüm" zu unterzeichnen.

Leser: Gibt es spezielle rechtliche Regelungen für Master-Franchise-Vereinbarungen ? Sind irgendwo Musterverträge erhältlich?

Jan Patrick Giesler: Spezielle rechtliche Regelungen für Master-Franchiseverträge gibt es nicht. Wenn es sich bei dem Master-Franchisevertrag um einen grenzüberschreitenden ("internationalen") Franchisevertrag handelt, sollten ein paar Vorgaben des Internationalen Privatrechts beachtet werden. Sinnvoll ist dann sicherlich, die Geltung einer Rechtsordnung zu vereinbaren. Grenzüberschreitende Franchiseverträge sind beim Master-Franchising natürlich häufiger anzutreffen. Ansonsten unterscheidet sich ein Master-Franchisevertrag von einem "normalen" Franchisevertrag vor allem durch die auf die Vergabe von Unter-Franchisen bezogenen Rechte und Pflichten des Master-Franchisenehmers. Muster-Franchiseverträge kann man im Buchhandel kaufen. Es sind mehrere Bücher zum Thema auf dem Markt (ich freue mich natürlich, wenn Sie sich für mein Buch "Franchiseverträge" entscheiden).

Leser: Warum müssen Franchisegeber nicht detailliert aufschlüsseln, welche Leistungen sie für die oft beträchtlichen Einstiegsgebühren zu erbringen gedenken ? Ich finde, dass die im Markt erhältlichen Kataloge für diesbezügliche Transparenz sorgen sollten.

Jan Patrick Giesler: Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich empfehle seit Jahren, dass Leistungen und Gegenleistungen vertraglich genau definiert werden. Dazu gehören erstens Leistungskataloge (die sind immerhin gelegentlich anzutreffen) und eine Definition, für welche Leistungen welche Gegenleistung erbracht wird. Diese Klarheit liegt im Interesse beider Vertragspartner. Auch der Franchisegeber kann erhebliche Nachteile hinzunehmen haben, wenn der Franchisevertrag in dieser Hinsicht falsch gestaltet ist. Eine Verpflichtung zu einer sachgerechten Vertragsgestaltung gibt es hingegen nicht. Das liegt an dem "Grundsatz der Vertragsfreiheit", der in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung gilt. Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, einen Franchisevertrag abzuschließen, sollten Sie auf einer klaren Regelung bestehen.

Leser: Worin würden dann die Vorteile einer gesetzliche Regelung des Franchising bestehen und ist von Seiten der EU zumindest in Europa irgendwann eine Vereinheitlichung zu erwarten?

Jan Patrick Giesler: Gesetzliche Regelungen haben den Vorteil, Klarheit im Rechtsverkehr zu schaffen. Das Fehlen von gesetzlichen Regelungen hat zur Folge, dass die Praxis (d.h. hier die Gerichte) diese Regeln unter Anwendung allgemeiner Vorschriften oder analoger Anwendung bestimmter Paragraphen erst allmählich entwickeln. Dementsprechend ist im Franchising noch manches rechtlich unklar oder umstritten (Beispiele: Gewährleistungsrechte des Franchisenehmers, Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Franchisevertrages). In diesen praxisrelevanten Bereichen wäre eine gesetzliche Regelung wünschenswert, weil dadurch sicherlich auch die Ausbreitung des Franchising begünstigt würde. Eine Vereinheitlichung durch die EU außerhalb der engen Bereiche des Kartell- und Wettbewerbsrechts (von der Vertikal-GVO war heute schon die Rede) ist nicht zu erwarten.

Leser: Habe ich nach Teilnahme an einem Assessment-Center Anspruch auf Herausgabe der detaillierten Ergebnisse seitens des Franchisegebers ?

Jan Patrick Giesler: Grundsätzlich nicht. Falls Sie vor der Teilnahme an dem Assessment-Center einen Vorvertrag oder eine ähnliche Vereinbarung abgeschlossen haben, sollte man prüfen, ob sich ein solcher Auskunftsanspruch ausnahmsweise daraus herleiten läßt, ggf. durch Auslegung der Regelungen.

Leser: Inwiefern ist eine im Geschaeftsverkehr uebliche Marke aus dem Ausland in Deutschland markenrechtlich geschuetzt? Oder ist eine Anmeldung beim Patentamt grundsaetzlich notwendig?

Jan Patrick Giesler: Markenschutz für Deutschland muss beim Patentamt beantragt werden. Eine ausländische Marke genießt in Deutschland nicht den starken Schutz des Markenrechts (sondern nur den schwachen Schutz der "eingeführten Geschäftsbezeichnung", dazu sogleich). Man sollte allerdings noch feststellen, ob bereits eine Marke beim Europäischen Patentamt eingetragen ist. Dadurch wird auch für Deutschland ein gewisser Schutz hergestellt. Fehlt es hingegen an jeglichem gültigen Markenschutz für Deutschland, kommt einer Geschäftsbezeichnung, die tatsächlich geführt wird, immerhin noch ein Schutz vor Nachahmern nach dem Wettbewerbsrecht (UWG) zugute. Eine Geschäftsbezeichnung, die keine Marke ist, genießt auch einen gewissen Schutz. Dieser Schutz reicht jedoch räumlich nur so weit, wie ein Unternehmen tätig ist (z.B. nur in der Region Köln etc.). Hierbei sind so viele Faktoren zu bedenken, dass es schwer möglich ist, im Rahmen dieses Forums eine abschließende Antwort zu geben. Richtig ist sicherlich: Durch die Eintragung einer Marke kann die Sicherheit erheblich erhöht werden.

Jan Patrick Giesler: Zwischenbemerkung: Ich freue mich sehr über die vielen interessanten Fragen von Ihnen!

Leser: In welchem Umfang trägt der Franchisegeber für die Planzahlen Verantwortung, die er mir für die Bankgespräche zur Verfügung stellt ?

Jan Patrick Giesler: Mit dieser Frage sprechen Sie das Problem der Prognosehaftung an. Davon war zu Beginn unserer Diskussion bereits kurz die Rede. Für alle Planzahlen oder Prognosezahlen, die ein Franchisegeber herausgibt (sei es für ein Bankgespräch oder um einen neuen Franchisenehmer mit diesen Zahlen anzuwerben) gelten die nachfolgend skizzierten Regeln: Der Franchisegeber haftet nicht dafür, dass sich diese Zahlen später auch verwirklichen. Das liegt in der Natur der Prognose. Das Prognoserisiko ist nämlich identisch mit dem unternehmerischen Risko des Franchisenehmers. Ausnahmsweise kann eine Haftung für Prognosen eintreten, wenn bereits die Prognosegrundlagen falsch waren. Beispiel Nr. 1: Es werden Umsatzzahlen genannt, die bislang kein einziger Franchisenehmer jemals erreicht hat (sozusagen "Phantasiezahlen"). Beispiel Nr. 2: Kein einziger Betrieb hat jemals einen Gewinn erwirtschaftet und trotzdem wird in den Planzahlen davon ausgegangen, dass der Break-Even-Punkt nach 12 Monaten erreicht ist. Beispiel Nr. 3 (aktueller Fall): Der Franchisegeber nennt die Umsatzzahlen aus seinem Pilotbetrieb und verwendet diese als Grundlage für die Prognose. Tatsächlich hat der Pilotbetrieb jedoch viel schlechtere Zahlen erreicht. In all diesen Fällen kann es zu einer Haftung des Franchsisegebers kommen.

Leser: Darf der Franchisegeber mir willkürlich Mindestumsätze vorschreiben und mich bei Unterschreitung aus dem System werfen?

Jan Patrick Giesler: Nein. Dafür gibt es Grenzen. In der Tat sehen manche Systeme Mindestumsätze vor, bei deren Nichterreichung bestimmte Folgen eintreten sollen (z.B. auch eine Verkleinerung des Vertragsgebiets). Es gilt jedoch, dass die festgelegten Mindestumsätze von Anfang an realistisch sein müssen. Selbst dann darf die einmalige Unterschreitung nicht zu einer einseitigen Vertragsbeendigung führen. Regelungen, die dies zum Inhalt haben, wären nichtig (unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Franchisenehmer und seine Investition sind hier schutzwürdig.

Leser: Welche Bedeutung hat die inzwischen wohl entschärfte Scheinselbständigkeitsregelung für das Franchising ?

Jan Patrick Giesler: Die Bedeutung des Problems der "Scheinselbständigkeit" ist inzwischen sehr gering, wie Sie richtig festgestellt haben. "Scheinselbständigkeit" bedeutet, dass ein Franchisenehmer in der Sozialversicherung als Beschäftigter behandelt wird. Dieses Problem tritt heute nur noch in Fällen auf, in denen Franchising regelrecht mißbraucht wird, um sich der Pflichten eines Arbeitgebers zu entledigen (z.B. im Bereich der Verkaufsfahrer ohne eigenen Betrieb). Zu beachten ist allerdings, dass nach wie vor die Arbeitsgerichte für Franchisenehmer zuständig sein können. Dies ist nämlich keine Frage aus dem Sozialversicherungsrecht und hat mit dem Thema "Scheinselbständigkeit" nichts zu tun (das wird leider häufig vermischt). Voraussetzung für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist, dass der Franchisenehmer sich als "arbeitnehmerähnliche Person" darstellt. Dies wird anhand verschiedener Indizien ermittelt.

Leser: Kann ich die Teilnahme an systeminternen Seminaren und ERFA-Tagungen bei Desinteresse auch ablehnen ?

Jan Patrick Giesler: Das ist abhängig von der Gestaltung des Franchisevertrages. Einige Franchiseverträge machen die Teilnahme an solchen Veranstaltungen zur Pflicht. Andere Franchisesysteme unterscheiden Pflichtveranstaltungen und freiwillige Veranstaltungen. Um diese Frage in Ihrem konkreten Fall zu beantworten, müsste man also in Ihrem Vertrag nachschauen.

Leser: Muss ich die Kontrollbesuche des Franchisegebers akzeptieren ?

Jan Patrick Giesler: Die Beantwortung dieser Frage hängt ebenfalls von dem Franchisevertrag ab. Die meisten Franchiseverträge regeln die Möglichkeit von Kontrollbesuchen. Das ergibt sich aus der Idee des Franchsing: Wenn alle Betriebe einheitlich sein sollen (man nennt das auch "Quasi-Filialität") und der Franchisenehmer die Richtlinien des Handbuchs einhalten soll, dann muss dies auch kontrolliert werden können. Für Kontrollrechte gibt es allerdings auch Grenzen. Vor allem in Systemen, bei denen kein Kundenverkehr im Outlet stattfindet (z.B. bei einer Bedienung der Kunden mit einem Außendienst) kann das Kontrollrecht eingeschränkt werden. Zu weitreichende Kontrollrechte können unwirksam sein. Auch für Verträge gilt gewissermaßen: "Nach ganz fest kommt ganz locker".

Leser: Welche Auswirkung hat die neue vGVO auf internationale (z.B. amerikanische) Systeme? Überwiegen die Vor- oder Nachteile der neuen Regelung?

Jan Patrick Giesler: Auswirkungen des europäischen Kartellrechts können natürlich nur entstehen, wenn das System auch auf dem euroäpischen Markt tätig ist. Wenn dies der Fall ist, wird dieses System genauso wie in Europa entstandene Systeme an den Regeln des Kartellrechts gemessen. Wenn eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten spürbar ist (hierfür hat die EU-Kommission Marktanteilsschwellen festgelegt) und keine andere Ausnahme von dem Kartellverbot gegeben ist, muss auch das in Europa tätige amerikanische Systeme seine Verträge an der Vertikal-GVO ausrichten.

Leser: Welche Rechte und Pflichten haben Beiräte in Franchisesystemen ?

Jan Patrick Giesler: Auch dies ist letztlich von dem Vertrag abhängig. Aus Gründen, die ihre Ursache im Deutschen Kartellrecht haben, stehen Beiräten in Franchisesystemen meist nur Beratungs- und Schlichtungsfunktionen zu. Meist bezieht sich die Beratung auf Marketingmaßnahmen. Gelegentlich sind auch Kontrollaufgaben anzutreffen, z.B. die Kontrolle der Verwendung der Mittel aus einem Werbepool. Weitergehende Rechte eines Beirats habe ich in der Praxis noch nie gesehen, obwohl ich über ein Archiv mit rund 400 Franchiseverträgen verfüge. Wenn ich für Franchisegeber neue Franchiseverträge gestalte, schlage ich immer eine Beratungs- und Kontrollfunktion vor.

Leser: Sind mündliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit Franchise-Verträgen gültig ?

Jan Patrick Giesler: Die Antwort auf diese Frage hat sich im Laufe der Zeit geändert. Bis zum 31.12.1998 hätte die Antwort gelautet: Nein, mündliche Vereinbarungen führen gemäß § 34 GWB zu einer Nichtigkeit des gesamten Vertragswerks. Ab dem 1.1.1999 bis zum 31.12.2001 hätte die Antwort gelautet: Wenn das Franchisesystem eine Warenbezugsverpflichtung enthält, führt eine mündliche Vereinbarung häufig zur Nichtigkeit des gesamten Vertragswerks gemäß Verbraucherkreditrecht. Seit dem 1.1.2002 hat sich die Lage im Zuge der "Schuldrechtsreform" verkompliziert. Gegenwärtig ist unklar, ob die Regelung aus dem Verbraucherkreditrecht in allen Fällen mündliche Nebenvereinbarungen verbietet. Aus Sicherheitsgründen sollte man davon ausgehen, dass dies auch heute noch der Fall ist (Nichtigkeit gemäß §§ 355, 505 BGB). Wir müssen die Entwicklung der Rechtsprechung abwarten. Mir ist bewußt, dass das keine wirklich befriedigende Antwort ist.

Leser: Gibt es eine schwarze Liste über unseriöse Franchise-Systeme?

Jan Patrick Giesler: Nein, eine solche Liste gibt es nicht. Der Deutsche Franchise-Nehmer Verband prüft allerdings Franchisesysteme und gibt Positiv-Empfehlungen.

Leser: Was ist rechtlich von Gütesiegeln und Zertifizierungsmaßnahmen zu halten? Inwieweit ist darauf Verlass?

Jan Patrick Giesler: Diese Frage paßt sehr gut zu meiner vorangegangenen Antwort. Ich empfehle, genau hinzusehen, welche Art von Prüfung der Erteilung des Gütesiegels vorausgegangen ist. Entgegen einem verbreiteten Irrtum prüft z.B. die Investitionsbank (ehemalige DtA) die Franchiseverträge nicht wirklich. Es wird nur festgestellt, ob bestimmte Vertragsklauseln vorhanden sind. Am besten ist meines Erachtens das Prüfsiegel des Deutschen Franchise-Nehmer Verbandes.

Leser: Wo kann ich objektive Auskunft über die Seriosität, Finanzkraft und Zukunftsaussichten eines Franchisesystems erhalten?

Jan Patrick Giesler: Einen Teil dieser Auskunft erhalten Sie über das Prüfsiegel des Deutschen Franchise-Nehmer Verbandes. Vor der Erteilung des Prüfsiegels ist zumindest einmal "hinter die Kulissen" geschaut worden. Die Zukunftsaussichten lassen sich hingegen im Grunde nur beurteilen, wenn man ein Marktforschungsgutachten in Auftrag gibt - also nicht wirklich. Wer sich für Wirtschaft und Unternehmen interessiert, hat möglichweise eine eigene Bewertung, welche Märkte und Branchen Zukunftsaussichten haben. Ich empfehle, dass man sich vor Unterzeichnung eines Franchisevertrages umfassend beraten lässt.

Leser: Wenn die Vertikal-GVO nur für einen sehr kleinen Teil der deutschen Franchisesysteme Bedeutung hat, warum übernimmt die DtA diese Anforderungen dann als Fördervoraussetzungen ?

Jan Patrick Giesler: Man geht hier wohl "auf Nummer sicher". Das ist im Grundsatz auch richtig, da niemals ausgeschlossen werden kann, dass kleine Franchisesysteme in Zukunft so weit wachsen, dass das Europäische Kartellrecht Anwendung findet.

Leser: Welche Themen muss der Franchisegeber im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung in jedem Fall abdecken?

Jan Patrick Giesler: Dies ist noch nicht abschließend geklärt und ein weiteres Beispiel dafür, dass eine gesetzliche Regelung vorteilhaft ist. Allgemein kann man sagen, dass sich die Aufklärungspflichten auf alle Bereiche erstrecken, die für die Investitionsentscheidung des Franchisenehmers von Bedeutung sind. Vor diesem Hintergrund kann man immer wieder andere "Listen" mit Aufklärungsbereichen lesen. Sicherlich gehören dazu Informationen zu der Entwicklung und dem Stand des Systems, zu der zugrundeliegenden Geschäftsidee, zu der Investitionssumme und zu den Zahlen vorhandener Betriebe (bzw. des Pilotbetriebs).

Jan Patrick Giesler: Ich danke für Ihr Interesse und für die wirklich interessanten Fragen. Auf Wiedersehen!

Dr. Jan Patrick Giesler

Dr. Jan Patrick Giesler

BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Fast ausschließlich für Franchiseunternehmen tätig. Berät bei Systemaufbau, Systemoptimierung, Vertragsgestaltung und bei der internationalen Expansion.
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