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Optimierung von Franchise-Verträgen und Handbüchern

Jan Patrick Giesler: Guten Morgen! Es ist noch früh für ein Wochenende. Trotzdem bin ich neugierig auf Ihre Fragen. Ich bin in Urlaub und geniesse den Chat in entspannter Atmosphäre... mal sehen, ob auch meine Antworten entspannt sein werden...

Leser: Guten Morgen! Ist es auch möglich allgemeine Fragen zum Franchise-Recht zu stellen?

Jan Patrick Giesler: Gerne! Sie dürfen mich alles fragen, was mit Franchising zu tun hat.

Leser: Guten Morgen Herr Dr. Giesler, müssen die Vorleistungen des Franchise-Gebers im Vertrag ganz detailliert aufgeschlüsselt werden, um die Höhe der Eintrittsgebühren zu rechtfertigen? In diesem Fall müsste der Vertrag jeweils ergänzt werden, wenn sich die Vorleistungen ändern.

Jan Patrick Giesler: Ja, ich halte das für dringend notwendig. Ganz allgemein ist es wichtig, dass die verschiedenen Gegenleistungen des Franchisenehmers (Eintrittsgebühr, Franchisegebühr) jeweils ganz klar den Leistungen des Franchisegebers zugeordnet sind. Es muss also deutlich werden: Welche Leistung wird mit welcher Gebühr bezahlt? Dann gibt es auch keine Probleme, wenn es mal zum Streit über die Rechtfertigung der Gebühren kommt. Speziell für die Eintrittsgebühr würde ich die Leistungen, die damit bezahlt werden, auflisten. Das hat eigentlich nur Vorteile. Der einzige denkbare Nachteil ist, dass Sie - wie Sie richtig feststellen - den Vertrag dann gelegentlich anpassen müssen. Aber die Anpassung muss immer nur für die nächste Generation von Franchisenehmern vorgenommen werden. Die laufenden Verträge müssen Sie nicht mehr anrühren.

Leser: Mir liegt ein Angebot zur Übernahme eines bereits bestehenden Franchisesystems vor. Wo liegen die möglichen Fallstricke und Unwägbarkeiten?

Jan Patrick Giesler: Verstehe ich Sie richtig: Sie haben das Angebot, ein Franchisegeber-Unternehmen (d.h. eine Systemzentrale) zu kaufen? Das ist rechtlich relativ unproblematisch, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt und Sie nur die Geschäftsanteile/Aktien an der Gesellschaft kaufen. Allenfalls sollte man dann im Rahmen der "Due Diligence" (d.h. im Rahmen der Prüfung des Kaufgegenstandes) auch die Franchiseverträge einer sorgfältigen Kontrolle unterziehen. Wenn es sich hingegen um ein Einzelunternehmen oder um eine Personengesellschaft handelt, können die Franchiseverträge nicht ohne weiteres "gekauft" werden (denn die Franchisenehmer müsser der damit verbundenen Auswechslung des Vertragspartners nicht zustimmen, wenn das nicht in den Franchiseverträgen bereits vorbereitet ist). In diesem Fall ist es also komplizierter; es müssen Gespräche mit den Franchisenehmern geführt werden. Unabhänigig von dieser Ausgangsfrage gibt es einige kaufmännische Aspekte zu beachten. Ich empfehle, dass Sie sich hinsichtlich jedes einzelnen Franchiseverhältnisses berichten lassen, wie die Zufriedenheit und das Befinden der Franchisenehmer ist. Sie sollten überprüfen: Haben die Systembetriebe den notwendigen Erfolg? Zu diesem Thema gibt es viel zu sagen.

Leser: Hallo Herr Dr. Giesler, wir betreiben ein Franchisesystem im Einzelhandel und haben häufig Probleme mit dem Ergänzungssortiment unserer Franchisenehmer. Wie können wir nachträglich erreichen, dass sämtliche Waren über die Zentrale bezogen werden?

Jan Patrick Giesler: Diese Frage möchte ich gerne in zwei Abschnitten beantworten. Erster Abschnitt: Wie ist es generell möglich, die Franchisenehmer dazu zu bewegen, sämtliche Waren über die Zentrale zu beziehen? Das Problem, das damit verbunden ist, resultiert aus dem Kartellrecht. 100%ige Bezugsbindungen sind kartellrechtlich bedenklich. Gerade erst hat das Bundeskartellamt in seinem "Praktiker"-Beschluss deutlich gemacht, dass eine solche Handhabung für den Franchisegeber erhebliche Nachteile haben kann. Ich empfehle deshalb einerseits die übliche 80%ige Bezugsbindung. Die "freien" 20% können dann inhaltich wieder beschränkt werden. Beispielsweise können Sie im Franchisevertrag festlegen, dass die "freien" 20% nur innerhalb einer bestimmten Warengruppe eingesetzt werden dürfen (z.B. könnte man beim Textil-Einzelhandel vereinbaren, dass die Franchisenehmer mit ihren "freien" 20% nur Accessoires kaufen dürfen). Man kann die "freien" 20% auch unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen (allerdings sollte es dann einen Anspruch auf Genehmigung geben, wenn keine sachlichen Gründe gegen ein bestimmtes Ergänzungsprodukt sprechen). So bekommen Sie das Problem schon mal gut in den Griff. Zweiter Abschnitt: Wie kann man das nachträglich in den Verträgen festlegen? Antwort: Prinzipiell nur durch eine ergänzende Vereinbarung zum Franchisevertrag. Also nur mit Zustimmung der Franchisenehmer. Manchmal lässt sich das erreichen, wenn man den Franchisenehmern zugleich einen Anreiz bietet (d.h. in der ergänzenden Vereinbarung muss auch ein Vorteil vereinbart werden). In Ausnahmefällen kann man auch über eine Änderung des Handbuchs die gewünschte Wirkung erreichen. Das setzt allerdings voraus, dass der vorhandene Franchisevertrag bereits eine passende Regelung enthält, die man dann durch die Änderung des Handbuchs nur noch konkretisieren muss.

Leser: Würden Sie als Anwalt einem guten Freund zur Existenzgründung mittels Franchising raten? Wovon würden Sie es abhängig machen?

Jan Patrick Giesler: Ich habe keine Probleme damit, einem guten Freund zum Franchising zu raten. Allerdings wüsste ich natürlich auch, welche Systeme ich dafür empfehlen würde. Letztlich hängt die Empfehlung damit zusammen, welche Erfolgsquote es in dem System gibt. Wenn die allermeisten Franchisenehmer in dem System bisher Erfolg hatten, ist eine Gründung mittels Franchising sicherlich eine lohnende Empfehlung. Wenn es in Einzelfällen an dem Erfolg gefehlt hat, spricht das natürlich nicht automatisch gegen das System. Die Gründe, weshalb Franchisenehmer im Einzelfall scheitern, sind vielfältig und haben häufig nichts mit dem Geschäftskonzept zu tun. Und schließlich kommmt es auf den Freund an. Das soll heißen: Nicht jeder Mensch ist geeignet, Unternehmer zu sein. Und nicht jeder Unternehmer ist in der Lage, Franchisenehmer zu werden.

Leser: In den 80er Jahren kam durch den Fall Jacques Weindepot die Diskussion der Scheinselbstständigkeit etc. auf. Inzwischen hat sich in der Rechtssprechung einiges getan. Ist das Thema trotzdem für Franchising noch aktuell? Es geht ja konkret um die eingeschränkte unternehmerische Freiheit der Franchise-Nehmer, die auch bei der öffentlichen Förderung (Krediten) geprüft wird, um überhaupte in Darlehen zu gewähren. Wie ist dort der status quo?

Jan Patrick Giesler: Das Thema ist nicht mehr aktuell, wenn man es mit der Einschränkung der unternehmerischen Freiheit nicht vollkommen übertreibt. Klar ist doch, dass Franchising notwendigerweise mit solchen Einschränkungen verbunden ist. Wie soll das Geschäftskonzept des Franchisegebers von einem selbständigen Franchisenehmer angewandt werden, wenn dieser nicht vertraglich gebunden wird? Wie soll die Einheitlichkeit der Systembetriebe (nicht nur optisch, sondern auch hinsichtlich der Verhaltensweisen und Methoden) erreicht werden, wenn es keine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit gibt? Die daraus resultierenden Einschränkungen sind kein Problem. Nur in Fällen, in denen Franchising MISSBRAUCHT wird, um Arbeitnehmer in Selbständige "umzudeklarieren" wird man auch heute noch Probleme bekommen.

Leser: Als einer der bekannten Franchise-Anwälte befassen Sie sich regelmäßig mit Handbüchern. Unter Experten scheint es umstritten zu sein, ob Handbücher nach Funktionen oder Abläufen zu strukturieren sind. Wie ist Ihre Meinung?

Jan Patrick Giesler: Ich habe in meinem Leben bislang lediglich knapp 30 Franchisehandbücher bzw. Betriebshandbücher gestaltet. An weiteren 30 bis 40 habe ich mitgearbeitet. Ich maße mir deshalb nicht an, zu sagen, ob eine bestimmte Methode richtig oder falsch ist. Man sollte sich auf das besinnen, um was es wirklich geht: Das Handbuch ist eine BEDIENUNGSANLEITUNG FÜR EIN UNTERNEHMEN. Alle Abläufe, die ein Unternehmen ausmachen und die bei der Betriebsführung zu beachten sind, werden beschrieben. Es ist deshalb m.E. unerheblich, ob man nach Funktionen oder Abläufen strukturiert. Beides ist zulässig. Wichtig ist nur, dass das Handbuch didaktisch so gut aufbereitet ist, dass die Franchisenehmer die Inhalte leicht aufnehmen und behalten können. Wenn dieses Ziel zuverlässig erreicht werden soll, ist eine Strukturierung nach Abläufen durchaus sinnvoll. Ich bin deshalb von dem Methoden, die Herr Vogel vertritt (er war, glaube ich, auch schon häufig Chatpartner im FranchisePORTAL) sehr überzeugt. Er macht das sehr gut.

Leser: Was müsste geschehen, damit die Mitgliedschaft im Deutschen Franchise-Verband e.V. sich zu einem richtigen Gütesiegel entwickelt? Wie kann das seriöse Franchising sonst vor dubiosen Machenschaften geschützt werden?

Jan Patrick Giesler: Der Deutsche Franchise-Verband (DFV) ist m.E. auf dem richtigen Weg. Viele Jahre gab es nur die Mitgliedschaft und es wurde angenommen, dass allein der Umstand, dass ein Franchisegeber dort Mitglied ist, etwas über die Güte aussagt. Ganz von der Hand zu weisen war dies sicherlich nicht; allerdings gab es einige Fälle, in denen sich einzelne Mitglieder des DFV auch als "schwarze Schafe" erwiesen haben. Das ist Vergangenheit. Vor allem das positive Wirken der Herren Fröhlich, Becker und Dawo sowie die exzellente Geschäftsführung von Herrn Brodersen haben den DFV ein großes Stück auf dem Weg vorangebracht. Jetzt gibt es das Gütesiegel - neben der Mitgliedschaft. Weiterhin wird es so bleiben, dass die Mitgliedschaft allein nicht aussagekräftig genug ist. Das Gütesiegel hingegen erzeugt die notwendige Unterscheidungskraft. Mir scheint dies der einzige Weg zu sein, dubiose Machenschaften von Unternehmen, die Franchising MISSBRAUCHEN zurück zu drängen. Die qualitativ hochwertigen Franchisesysteme müssen sich erkennbar absetzen. Wenn Gründer diese Systeme anhand eines Gütesiegels unterscheiden können, werden die unseriösen Anbieter zurück gedrängt. Die gleiche gute Idee ging ursprünglich von dem Prüfsiegel des Deutschen Franchise-Nehmer Verbandes (DFNV) aus.

Leser: Gibt es neue Entwicklungen im Franchise-Recht, die einem Franchise-Geber bekannt sein sollte?

Jan Patrick Giesler: Natürlich gibt es laufend neue Entwicklungen. Ich weiß gar nicht, wo ich hier anfangen sollte. Ein paar Stichworte, in beliebiger Reihenfolge: - Relativ neu ist die Erkenntnis, dass bei das Datum der Vertragsunterschrift und das Datum der Widerrufsbelehrung gleich sein sollten. Auf dem "Bonner Tag des Franchiserechts" habe dazu detaillierte Tipps gegeben. - Neu ist der "Praktiker"-Beschluss des Bundeskartellamtes, von dem oben schon die Rede war. Die Erkenntnis daraus: Rückvergütungen in Kombination mit 100%iger Bezugsbindung können sehr gefährlich sein. - Ich übrigens empfehle generell, Einkaufsvorteile im Franchisevertrag ausdrücklich zu regeln. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Frage, ob es vielleicht doch einen gesetzlichen Anspruch der Franchisenehmer auf Auszahlung der Einkaufsvorteile gibt, Anfang 2006 schon wieder offen gelassen (das war das sog. "Hertz"-Urteil). Man weiß nie, was noch kommt. Konsequenz: Vertraglich vereinbaren, dass diese Vorteile dem Franchisegeber zustehen. - Bei laufenden Mindestgebühren ist eine gewisse Vorsicht geboten. Der Mindestbetrag sollte nicht zu hoch sein. Das ist eine Erkenntis aus einem bevorstehenden Urteil, das ein Computerschulen-Franchisesystem betreffen wird. - Das waren nur einige Beispiele.

Leser: Hallo Herr Dr. Giesler, der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit hat offenbar an Bedeutung verloren. Worauf sollten Franchise-Geber trotzdem achten, um Konflikte mit den Sozialversicherungsträgern zu vermeiden?

Jan Patrick Giesler: Ihre Vorsicht ist weiterhin richtig. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass scheinbar "Selbständige" von den Sozialversicherungsträgern als Beschäftigte eingestuft werden. Beim Franchising kann das allerdings nur bei Extremfällen (vor allem bei Missbrauchsfällen) auftreten. Man sollte die unternehmerische Freiheit des Franchisenehmers nur so weit einschränken, wie dies notwendig und sachlich geboten ist, um das Ziel der Quasi-Filialität zu erreichen. Bei der Unternehmensführung müssen dem Franchisenehmer in allen Fällen noch die "letzten Grundfreiheiten" bleiben. Er sollte die Personalhoheit haben. Er sollte in Einzelentscheidungen frei bleiben, die ein/e Unternehmer/in täglich treffen muss. Der Franchisegeber sollte also nur ein abstrakt-generelles Regelwerk vorgeben (--> Handbücher). Es sollte keine Einzelanweisungen geben, es sei denn Hinweise auf etwaige Abweichungen von den abstrakt-generellen Regelwerken.

Leser: Inwieweit kann der Franchisegeber über einen Onlineshop eigene Geschäftstätigkeit entwickeln? (Gebietsschutz vorhanden, nicht alle Gebiete besetzt)

Jan Patrick Giesler: Die Antwort auf diese Frage hängt von der Gestaltung der Franchiseverträge ab. Wenn in den Franchiseverträgen keine Exklusivität zugesagt wurde (weder wörtlich durch Verwendung des Wortes "exklusiv", noch sinngemäß), ist für den Franchisegeber ein Onlineshop möglich. Wenn Sie ganz sicher gehen möchten, sollten Sie sich diese zweite Absatzschiene von Anfang an in den Franchiseverträgen vorbehalten (Vorsicht: wenn Sie einen ausdrücklichen Vorbehalt vereinbaren, trotzdem das Wort "exklusiv" vermeiden). Bei richtiger Gestaltung gilt also: Kein Problem. Es gab vor ein paar Jahren mal ein eher abwegiges Urteil des Landgerichts Hamburg - vergessen Sie das einfach. Wenn Sie in den Franchiseverträgen allerdings mit den vorhandenen Franchisenehmern eine Gebietsexklusivität vereinbart haben, wird es schwierig. Ratsam ist hier eine Zusatzvereinbarung (vielleicht können Sie die Zusatzvereinbarung dadurch durchsetzen, dass Sie die vorhandenen Franchisenehmer an den Verkaufserlösen aus dem Onlineshop beteiligen?).

Leser: Guten Tag Herr Dr. Giesler, mit welchen Kosten muss ich bei der Erstellung eines Franchise-Vertrages durch einen spezialisierten Anwalt rechnen? Gilt dafür die Gebührenordnung oder ist es Verhandlungssache?

Jan Patrick Giesler: Die Kosten sind von Anwalt und Anwalt ziemlich unterschiedlich. Hier ist also Vorsicht angebracht! Die Gebührenordnung (das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG) wird allerdings von kaum ernsthaft vorgeschlagen. Ich kenne einige Kollegen, bei denen Sie rund 10.000 Euro bezahlen müssen. Ich persönlich schaffe es in der Regel für 3.000 Euro. Das hängt von dem Umfang und von dem Franchisesystem ab (bei ganz einfachen Konzepten habe ich es sogar für unter 2.000 Euro geschafft).

Leser: Wann ist die Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit von Franchisenehmern durch die Zentrale als unangemessen oder sogar sittenwidrig anzusehen?

Jan Patrick Giesler: Es gibt nur ganz wenige Urteile, die diese Frage betreffen. Das ist ein gutes Zeichen! Allgemein lässt sich sagen: Sittenwidrigkeit ist das schärfste Schwert unserer liberalen Rechtsordnung. Bis ein Vertrag als sittenwidrig angesehen wird, muss viel passieren (dieses Probleml ist also noch seltener also das Problem der Arbeitnehmereigenschaft, obwohl beide Fragen etwas mit der mangelnden Selbständigkeit der Franchisenehmer zu tun haben). Bei einem Reisebüro-Franchisesystem ist eine Eintrittsgebühr über DM 50.000 als sittenwidrig angesehen worden, weil nicht erkennbar war, welche Leistung des Franchisegebers damit überhaupt bezahlt werden sollte (deshalb gilt, was ich oben gesagt habe: Leistung und Gegenleistung klar definieren!). Bei einem Nachhilfeschulen-System war es eine Kombination von vielen "kleinen" Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit, die zur Sittenwidrigkeit geführt hat: In diesem System durfte der Franchisenehmer nicht einmal ein Darlehen aufnehmen, ohne dass vorher die Zustimmung des Franchisegebers vorlag. Der Franchisenehmer durfte nicht frei entscheiden, mit welcher Bank er zusammenarbeitet. Wer es so weit treibt, darf sich natürlich nicht wundern, wenn es Ärger gibt. Ergänzende Bemerkung, nur wegen der Vollständigkeit: Der von Ihnen ebenfalls verwendete Begriff der "Unangemessenheit" bezieht sich nicht auf eine Unwirksamkeit des Vertrages. Wegen "unangemessener Benachteiligung" können gelegentlich einzelne Formularklauseln unwirksam sein, ohne dass dies den Franchisevertrag insgesamt berührt.

Leser: Ist es ausreichend, wenn sich ein Interessent in unserer Zentrale - ohne Kopiermöglichkeit - mit dem Betriebshandbuch befasst ? Oder sollten wir ihm das Handbuch nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsverpflichtung aushändigen, damit er das zur Übertragung anstehenden Know-how prüfen kann?

Jan Patrick Giesler: Ihre Handhabung ist richtig. Auf keinen Fall darf das Handbuch ausgehändigt werden, bevor der Franchisevertrag unterzeichnet wurde und BEVOR DIE FRIST FÜR DAS WIDERRUFSRECHT ABGELAUFEN ist (wenn es ein Widerrufsrecht gibt). Bis dahin wird nur Einsicht in den Räumen der Systemzentrale gewährt; das allerdings sollte dann auch in der Praxis jederzeit möglich sein.

Leser: hallo dr.j.patrick ich würde gerne ein unternehmen in richtug lebensmittel erhöffnen könnnen sie mir ein tip geben

Jan Patrick Giesler: Ihre Frage ist sehr allgemein gehalten. Welchen sinnvollen Tipp soll ich Ihnen da geben? Schauen Sie sich auf jeden Fall einmal an, welche Franchise-Angebote es für den Bereich Lebensmittel gibt. Momentan gibt es in Deutschland einige hoch interessante Gastronomie-Systeme (kein Fast-Food, sondern exzellentes "Fast Casual Food"). Ich denke da an Vapiano, Blizzeria, Bagel Brothers oder Bagel Station. Auch wenn Sie eher in die Richtung Handel tendieren, schauen Sie sich mal im FranchisePORTAL um.

Leser: Warum haben die spezialisierten Anwälte in Deutschland solche Vorbehalte gegenüber einem eigenständigen Franchisegesetz, dass Rechte und Pflichten von Franchisegebern und Franchisenehmern festschreibt? Gibt es sachliche Gründe oder geht es um die Privilegien von Spezialisten?

Jan Patrick Giesler: Ich persönlich habe wenig Vorbehalte. Dass es meinen Kollegen um persönliche Know-how-Privilegien geht, glaube ich nicht. Es wäre ein Fehler, anzunehmen, dass durch ein Gesetz alles so viel klarer wird, dass man keine Spezialisten mehr braucht (das Recht des Handelsvertreters ist gesetzlich geregelt und trotzdem wird in diesem Bereich mehr mit Spezialisten prozessiert als in irgendeinem anderen Gebiet...). Die meisten Spezialisten für Franchiserecht sind ohnehin keine Prozessanwälte. Vorbehalte gegen Gesetze haben etwas mit der Sorge um staatliche Regulierung zu tun. Wenn der Staat in das Wirtschaftsleben eingreift, hat das oft erhebliche negative Konsequenzen. Man weiß nie, was geschieht, wenn es ein neues Gesetz gibt. Die Modernisierung des Schuldrechts im Jahr 2002 hat z.B. mehr ungeklärte Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Das war eine wirklich grauenhafte Reform.

Leser: Meines Wissens setzt die Förderfähigkeit durch die KfW voraus, dass die Verpflichtung zum Warenbezugs nicht über 80% und die Vertragslaufzeit nicht unter 5 Jahren liegt. Die Voraussetzungen scheinen aus der EU-Gruppenfreistellungsverordnung abgeleitet worden zu sein. Halten Sie die Kriterien für sachlich gerechtfertigt?

Jan Patrick Giesler: Stimmt. Sie haben Recht. Die KfW hat sich hier vom europäischen Kartellrecht leiten lassen. Obwohl ich mich mit anderen Beiträgen in diesem heutigen Chat als Liberaler geoutet habe (ich bin allerdings nicht Mitglied in irgendeiner Partei), meine ich, dass Kartellrecht sinnvoll und wichtig ist. Ohne faien Wettbewerb kann sich auch ein freier Markt nicht entwickeln. Die in dem Vertikal-GVO zum Ausdruck gebrachte Bedenklichkeit der 100%igen Bezugsbindung hat also eine kartellrechtliche Rechtfertigung. Ob das auch die KfW-Kriterien gilt, bezweifle ich. Der KfW geht es natürlich um die Sicherheit der Darlehen. Ganz von der Hand zu weisen ist es allerdings nicht, dass es für den Erfolg von Unternehmern (und damit auch für die Sicherheit des Darlehens) sinnvoll ist, den Warenbezug zu diversifizieren.

Leser: wie verhält es sich mit der Finanzierung von Franchise-Nehmern? Welche Besonderheiten gibt es insbesondere bei der öffentlichen Förderung zu berücksichtigen? Kriterien, die erfüllt sein müssen, um solche Darlehen zu bekommen?

Jan Patrick Giesler: Diese Frage passt sehr gut zu dem vorherigen Beitrag. Sehr viel ist bei der Vertragsgestaltung nicht zu beachten - schauen Sie einfach mal auf die Homepage der KfW. Vertragslaufzeit und Bezugsbindung sind bereits die entscheidenen Kriterien. Ich habe es noch nie erlebt, dass eine Finanzierung wegen eines Gestaltungsfehlers abgelehnt wurde. Meist treten die Probleme bei der Hausbank auf, weil man dort a) von dem Gründer nicht überzeugt ist; b) von dem Franchisekonzept nicht überzeugt ist; c) generell kein Interesse an Existenzgründungen hat.

Leser: Gibt es in der einschlägigen Franchise-Literatur Musterverträge oder Vertragsbausteine, die ich auf mein System hin anpassen kann? Ich erhoffe mir eine kostengünstigere Lösung, wenn ich einen fertigen Vertragsentwurf prüfen lasse.

Jan Patrick Giesler: Klar. Es gibt Bücher mit Musterverträgen. Sie müssen dafür nicht unbedingt mein Buch "Franchiseverträge" kaufen; es gibt auch schöne Konkurrenzwerke und vor allem auch Leihbüchereien. Aber Vorsicht: In allen z.Zt. auf dem Markt befindlichen Büchern ist der Entwurf der Widerrufsbelehrung nicht aktuell. Die Widerrufsbelehrung dürfen Sie auf keinen Fall unkritisch übernehmen! Und um es gleich zu sagen: Ich würde es ablehnen, lediglich einen Entwurf "zu überprüfen", den ein Mandant selbst gestaltet hat. Das kostet den Mandanten oft sehr viel mehr Geld (weil der Entwurf trotz Verwendung eines Musters einfach grauenhaft geworden ist) und das Ergebnis ist im Regelfall nicht optimal. Ebenso wie meine Wettbewerber habe ich über 800 Bausteine für Franchiseverträge entwickelt, die es in dieser Form natürlich in keinem Buch gibt. Die Muster in Büchern können nur Orientierungshilfen sein - sie sind so allgemein, dass die Verträge nicht wirklich gut werden.

Leser: In der juristischen Literatur findet man zum Thema Franchising oft das Wort Paradox, bilaterale Beziehung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer,etc. Können Sie in Stichworten sagen, welche Konsequenzen/Probleme sich durch diese Besonderheit "sei autonom und gehorche" auf der jursitischen Ebene ergeben?

Jan Patrick Giesler: Gute Frage - schwierig in wenigen Worten zu beantworten. Über dieses Thema werden ganze Bücher geschrieben! Die Probleme/Konsequenzen, die sich aus der Einschränkung der unternehmerischen Freiheit ergeben können, waren eigentlich heute bereits Gegenstand des Chat. Wenn die Einschränkungen sachlich nicht gerechtfertigt sind und zu weit gehen, kann es Probleme mit der Selbständigkeit geben. In letzter Konsequenz kann der Vertrag sittenwidrig sein. Das sind allerdings nur die Extremfälle.

Leser: Ich bin FN im Backwaren-Einzelh. und habe viele Jahre in harter Arbeit einen erfolgreichen Fachbetreib aufgebaut. Jetzt macht mir der FG nur 400m weiter mit einem eigenen betrieb Konkurenz. Es gibt zwar kein Gebietschutz, aber verstößt das nicht gegen den Ehrenkodex der Franchisewirtschaft. Was meinen Sie??

Jan Patrick Giesler: Nach ganz herrschender Meinung in der Fachliteratur (pro: Liesegang, Flohr und meine Wenigkeit, contra: Böhner) gibt es für den "innersten Schutzbereich" auch ohne Gebietsschutz einen sogenannten Konkurrenzschutz. Der Franchisegeber darf dem Franchisenehmer nicht durch räumlich in Nachbarschaft angesiedelte Filialen der Systemzentrale eine existenzvernichtende Konkurrenz machen. In der Hoffnung, dass Ihr Franchisegeber kein Mandant von uns ist, empfehle ich: Bitte suchen Sie schnell einen Rechtsanwalt auf! (Und um es gleich zu sagen: Wir beraten ausschließlich die Seite der Franchisegeber.)

Jan Patrick Giesler: Weil es momentan keine weiteren Fragen gibt, weil das Wetter so schön ist und weil ich mich in Urlaub befinde... schlage ich vor: Lassen wir es gut sein für heute. Herzlichen Dank für die interessanten Fragen! Viel Erfolg beim Franchising!

Dr. Jan Patrick Giesler

Dr. Jan Patrick Giesler

BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Fast ausschließlich für Franchiseunternehmen tätig. Berät bei Systemaufbau, Systemoptimierung, Vertragsgestaltung und bei der internationalen Expansion.
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