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Hard- oder Soft-Franchising als optimale Variante

Hubertus Boehm: Liebe Teilnehmer, obwohl sich bei vielen die Gedanken schon auf den Fasching richten, wollen wir uns heute noch einmal ernsthaft mit dem Thema "Franchising" befassen. Thematischer Schwerpunkt ist "Hard- oder Soft-Franchising: Die bessere Variante", aber Sie dürfen selbstverständlich alle Fragen zum Thema Franchising stellen. Ich freue mich auf den Dialog. Ihr Hubertus Boehm

Leser: Guten Morgen, Herr Dr. Boehm: Wie erkennt ein Franchise-Interessent, ob ein zur Auswahl stehendes Angebot Hard- oder Soft-Franchising beinhaltet?

Hubertus Boehm: Es kommt auf die strategischen Ziele des Franchise-Gebers (FG) an: Wenn es darum geht, einen leistungsfähigen und straff organisierten Vertriebskanal aufzubauen, kommt nur die "harte" Variante in Frage. Der FG muss ja in der Lage sein, das Marktverhalten seiner Franchise-Nehmer (FN) zu koordinieren sowie eine Qualitäts- und Erfolgskontrolle vorzunehmen, weil andernfalls die Funktion des flächendeckenden Netzwerks nicht erfüllt ist. Genauso ist es, wenn es darum geht, eine große Marke aufzubauen, weil der Goodwill der Marke durch den Marktauftritt, das Verhalten und auch den Erfolg der FN geprägt wird. Anders ist es dagegen, wenn in möglichst kurzer Zeit ein sehr feinmaschiges Netz von Vertriebspartnern für relativ anspruchslose Produkte oder Dienstleistungen errichtet werden soll und der Aspekt der Marke nicht im Vordergrund steht. Dann ist auch eine "weiche" Variante vertretbar. Ähnlich ist es bei konvertierenden Systemen, wenn beispielsweise aus einer Verbundgruppe heraus ein Franchise-Netz entsteht. In diesem Fall ist so vieles vorgeprägt, dass die "harte" Variante in der Regel nicht durchsetzbar ist.

Leser: Sehr geehrter Herr Dr. Boehm! Welche Kriterien veranlassen einen Franchise-Geber, sich für Hard oder Soft Franchising zu entscheiden? Ist es v.a. eine Frage der Komplexität von Produkt, Dienstleistung oder des Geschäftsmodells?

Hubertus Boehm: Ja, wie ansatzweise bereits eben ausgeführt ist die Komplexität ein wesentlicher Aspekt - zumindest wenn es sich nicht um den zuvor erwähnten Fall der konvertierenden Kette handelt. In allen anderen Fällen können komplexe Prozesse nur im Hard-Franchising gesteuert werden, insbesondere wenn die Aktivitäten unter demselben Markendach ablaufen. Aufbau und Schutz des Markengoodwill sind aus meiner Sicht ein wesentlicher Aspekt bei der Frage "hart" oder "weich". Das in Jahren mühsam und mit hohen Kosten aufgebaute Image einer Marke kann durch Fehlverhalten oder Misserfolg einzelner FN schnell beschädigt werden. Das trifft einerseits den FG, weil das mit dem Goodwill verbundene immaterielle Kapital geschmälert wird. Andererseits beeinträchtigt es alle anderen FN, die ja unter derselben Marke auftreten.

Leser: Lieber Herr Dr. Boehm! Kann man mit Soft-Franchising überhaupt die erforderliche Standardisierung erreichen, welche für die Multiplikation eines erfolgreichen Pilotbetriebes erforderlich ist?

Hubertus Boehm: Das geht nur eingeschränkt. Deshalb erwähnte ich eingangs als typisches Anwendungsfeld die sehr feinmaschigen Netze für "simple" Produkte und Dienstleistungen - vornehmlich im Direktvertrieb. Gedanklich sind wir dann schon sehr nahe am Multilevel, wo es die große Zahl bringt und das Beziehungsmarketing über der Markenkraft steht.

Leser: Konnten Sie im Franchising weitere Branchen identifizieren, die sich eher mit Hard oder Soft Franchising erfolgreich bearbeiten lassen?

Hubertus Boehm: In Anbetracht der großen Zahl von Branchen im Franchising ist es schwierig, eine generelle Aussage zu treffen. Man kann das nur anhand einiger Beispiele umreißen: Wenn es beispielsweise um die Multiplikation einer Autowerkstatt mit dem Anspruch "alle Gewerke für alle Marken" geht, kommt aus Qualitätsgründen selbstverständlich nur die "harte" Variante in Frage. Bei einem Hydraulikservice für Baumaschinen gilt genau dasselbe. Und bei einem Zahnlabor ist es nicht anders. Geht es allerdings darum, im Direktvertrieb Kochtöpfe oder Gemüsepillen in tausenden von Haushalten "auf dem Sofa" zu verkaufen, ist durchaus die "weiche" Variante vertretbar. Dort hat der Auftritt des einzelnen Vertriebspartners keine so große Reichweite. Davon abgesehen beeinflusst das Ausscheiden oder der Eintritt eines Partners den Bestand des Netzwerks nicht. Daneben gibt es aber auch Branchen, in denen beide Varianten vorkommen. Dabei denke ich an Einzelhandel und Gastronomie.

Leser: Wie kann ich mir das in der Praxis vorstellen: Beauftrage ich als Franchisegeber einen Anwalt mit der Erstellung eines harten oder weichen Franchise-Vertrages? Gibt es einen weiteren Vertragstyp für Lizenzsysteme, die ohne jede Unterstützungsleistung auskommen?

Hubertus Boehm: Nein, mit dem Vertrag hat das gar nichts zu tun. Als angehender FG muss ich mir überlegen, was ich mit Franchising erreichen will - warum ich diese Absatzstrategie verfolge. Es geht ja um eine Grundsatzentscheidung für Jahrzehnte! Wenn Produkte oder Dienstleistungen, Qualität, Markenpolitik und Vertriebskonzept in der gegebenen Zielgruppe hohen Ansprüchen entsprechen müssen, kommt nur eine "harte" Variante in Frage. Dann müssen Sie als FG Einfluss nehmen können auf Standort, Marktauftritt, Marktangebot, Marketing und Verhalten im Kundenkontakt. Da jedes Franchise-System ein Unikat ist, muss der Franchise-Vertrag dieses Unikat rechtlich widerspiegeln. Es gibt daher keine Unterschiede in den Vertragstypen. Der Vertrag für die "harte" Variante regelt die oben erwähnten Aspekte detailliert und mit engen Vorgaben. Dazu gehören auch Kontrollrechte des FG hinsichtlich Qualität und Markterfolg. Der Vertrag für die "weiche" Variante beschränkt sich weitgehend auf das Nutzungsrecht an Geschäftsmodell und Marke sowie den Transfer des für Betriebsaufbau und -führung nötigen Know-how. Soft-Franchising ist nicht definiert: es gibt "mittelweiche" und "ganz weiche" Formen fast ohne jede Unterstützung. Aber es kommt (wie bereits oben gesagt) immer darauf an, was der FG erreichen will.

Leser: Hallo Herr Doktor Boehm: Was halten Sie von der Erarbeitung eines Kriterienkatalogs zur Einordnung der Franchise-Systeme in unterschiedliche Typen, um die jeweiligen Erfolgsaussichten objektiv und wissenschaftlich nachvollziehbar zu ermitteln? Wäre das nicht eine spannende Aufgabe für eine Promotion?

Hubertus Boehm: Das Ausarbeiten eines Kriterienkatalogs zur Einordnung verschiedener Typen ist sicherlich sinnvoll. Allerdings dürfte das in wissenschaftlichen Arbeiten schon mehrfach geschehen sein. Für nicht erfolgversprechend halte ich dagegen den Versuch, aus einem solchen Raster auf die Erfolgschancen der einzelnen Typen zu schließen. Es mag zwar eine gewisse Korrelation zwischen Branche / Absatzstrategie / Markenpolitik einerseits und Franchise-Typ andererseits geben, das hat allerdings noch nichts mit Erfolgsaussichten zu tun. Ob ein Franchise-System Erfolg hat, hängt von einem Mosaik unterschiedlicher Faktoren ab - die meisten davon sind "weiche". Angenommen zwei FG operieren mit vergleichbarem Konzept in der gleichen Branche: dann ist durchaus vorstellbar, dass der eine erfolgreich ist und der andere nicht. Das könnte u.a. daran liegen, dass der eine die Auswahl seiner FN konsequent zielorientiert nach einem detaillierten Profil vornimmt und dabei von 100 Bewerbern nur drei akzeptiert, der andere aber nahezu jeden als FN annimmt, weil er froh ist, jemanden zu finden, der den Vertrag unterschreibt.

Leser: Welche Faktoren müssen grundsätzlich erfüllt sein, damit ein Franchise-System erfolgreich im Markt agieren kann? Anders gefragt, warum scheitern so viele junge Systeme?

Hubertus Boehm: In Deutschland gibt es rund 1.000 Franchise-Systeme. Jedes Jahr kommen rund 100 dazu, gleichzeitig verschwinden 100 Systeme - meist junge Systeme. Das ist ein Dilemma! An jedem Franchise-System hängen ja einige Existenzen. Daher ist Ihre Frage sehr berechtigt. Auf einen Nenner gebracht würde ich antworten: "Eigenkapital". Der Aufbau eines Franchise-Systems ist eine anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe. Das macht man nicht nebenbei. Hierfür braucht man freie Kapazität eines qualifizierten Projektentwicklers, der später Franchise-Manager wird. Für die Entwicklung der Tools ist mindestens ein Jahr anzusetzen. Der Aufbau des Netzwerks bis break-even dauert gewöhnlich zwei bis vier Jahre. Gerade in der Aufbauzeit benötigen die Partner besonders viel Unterstützung, weil Tools und Prozesse optimiert werden müssen. Abgesehen von Fremdkosten z.B. für Werbeagentur, Webdesigner (einschließlich Intranet), Franchise-Anwalt und Franchise-Experten besteht der weitaus überwiegende Kostenblock aus der Finanzierung des hauseigenen Franchise-Entwicklers und -Managers bis break-even. Die "Durststrecke" ist der größte Kostenträger. Das wird häufig übersehen. Wenn angehende FG vor der Grundsatzentscheidung einen Investitionsplan erstellen würden, wäre bald deutlich, dass der Kapitalbedarf durchaus einen sechsstelligen Betrag erreichen kann. Das wird meistens übersehen. Man beginnt mit unprofessionellen Improvisationen - oft in der Absicht, später nachzubessern, wenn über Franchise-Gebühren genug Liquidität eingegangen ist. In diesem Fall arbeitet das System von Anfang an suboptimal. Die beeinträchtigt die Erfolgschancen der ersten FN. Die Attraktivität für weitere qualifizierte FN ist geringer. Das System kommt nicht zum Laufen und "dümpelt" vor sich hin.

Leser: Welche unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen sind im Franchising zu erkennen? Lassen sich die Einzelstrategien auf grundsätzliche Alternativen reduzieren?

Hubertus Boehm: Ja, das habe ich in meinem ersten Beitrag schon angedeutet. Hier sehe ich auch einen Ansatz für eine strukturierende wissenschaftliche Arbeit. Wie schon gesagt ist Franchising ja immer ein Mittel zum Zweck. Im Vordergrund steht nicht die Entscheidung, FG zu werden, sondern im Markt ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Franchising ist dann eine der denkbaren Strategien auf dem Weg zum Ziel. Daneben gibt es andere, wie Filialisierung, Direktvertrieb, Webshop etc. Zu den typischen Franchise-Strategien gehören: Hersteller errichten "eigene" Vertriebskanäle, Großhändler binden ihre Kunden im Franchise-System, Filialisten verdichten ihr Vertriebsnetz durch Franchise-Partner oder "privatisieren" ertragsschwache Filialen, Systemköpfe des Handels oder des Handwerks multiplizieren neue Vertriebstypen, Dienstleister entwickeln sich durch Franchise-Ketten zu Großunternehmen, Verbundgruppen "homogenisieren" und profilieren ihre Mitglieder durch Franchising. Die strategische Sichtweise dürfte also unter Ihrem Aspekt durchaus attraktiv sein. Wenn Sie Lust haben, können wir darüber gerne einmal telefonisch oder persönlich sprechen.

Leser: Ich verstehe Sie so, dass man mit einem Soft-Franchise-System bei geringeren Gebühren weniger Vorgaben und Unterstützung erhält. Welche Unterstützung seitens der Zentrale sollte auch im Soft-Franchising dabei sein, um Franchise-Nehmer zum Erfolg zu führen?

Hubertus Boehm: Grundschulung, theoretisch und praktisch, jährlicher Erfahrungsaustausch und zumindest ein jährlicher Beratungsbesuch sollten schon dazu gehören. Der Erfahrungsaustausch ist meistens verbunden mit einem motivierenden "Familientreffen". Da der Aufwand des FG geringer ist, müssten selbstverständlich auch die Gebühren niedriger sein.

Leser: Wie wirkt sich die Entscheidung des Franchisegebers für Hard oder Soft Franchising auf Eintrittsgebühr und monatliche Royalties seiner Franchise-Nehmer aus?

Hubertus Boehm: Die Gebühren sind ja immer eine Vergütung für die Leistungen eines FGs bei Systementwicklung, Aufbau des FN-Betriebs, Know-how-Transfer und Betreuung. In dem gleichen Maß wie die Aufwendungen des FG im Soft-Franchising geringer sind, sollten natürlich auch die Gebühren geringer sein.

Leser: Welche Wettbewerbsvorteile werden im Markt in Zukunft entscheidend sein, um Kunden zu gewinnen und an sich zu binden? Wie sichern wir die Zukunftsfähigkeit unseres Geschäftsmodells? Können Sie aus Ihrer Beratungspraxis konkrete Empfehlungen ableiten?

Hubertus Boehm: Zu den Wettbewerbsvorteilen eines Franchise-Systems gehört das hohe persönliche Engagement des Unternehmers "an der Front". Unter dem Aspekt des Beziehungsmarketings kann also Franchising durchaus dazu beitragen, die Position des Unternehmens im Markt zu stärken und seine Zukunftssicherheit zu erhöhen. Im einzelnen hängt das aber natürlich vom Geschäftsmodell ab. Weitergehende generelle Aussagen sind daher nicht möglich. Wir können aber gerne darüber einmal telefonisch sprechen - als Chatteilnehmer ist das für Sie honorarfrei.

Hubertus Boehm: Das waren ja wirklich interessante Fragen. Danke für Ihr Interesse. Wenn ich Ihre Fragen im Detail nicht ausreichend beantworten konnte, scheuen Sie sich bitte nicht, mich telefonisch oder per Mail zu kontaktieren. Bis zum nächsten Mal, Ihr Hubertus Boehm

Dr. Hubertus Boehm

Dr. Hubertus Boehm

SYNCON Consulting GmbH

Dr. Hubertus Boehm ist seit 1972 auf die Entwicklung von Franchise-Systemen spezialisiert und gehört auf diesem Gebiet zu den Pionieren im deutschsprachigen Raum.

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