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Ausgleichsanspruch für Franchisenehmer

Franchisegeber haben nicht selten ein Interesse daran, den Standort nach Beendigung des Franchiseverhältnisses zu erhalten. Der Franchisebetrieb wird übernommen oder an einen neuen Franchisenehmer übertragen, um die angestammten Kunden weiter bedienen zu können. Das kann erhebliche wirtschaftliche Folgen haben, die zuvor bedacht und kalkuliert sein sollten. Der vom ausscheidenden Franchisenehmer aufgebaute Kundenstamm kann einen Vorteil darstellen, der dem Franchisegeber nach Beendigung des Franchisevertrags verbleibt. Es stellt sich die Frage, ob dem ausscheidenden Franchisenehmer für diesen verbleibenden Vorteil ein Ausgleich zu zahlen ist.

Das Gesetz sieht für einen Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrags im Regelfall einen Ausgleichsanspruch vor (§ 89b HGB). Dem vom Gesetzgeber für schutzbedürftig angesehenen Handelsvertreter wird ein Vergütungsanspruch gewährt, der die werbende Tätigkeit ungeachtet der gezahlten Provisionen zusätzlich belohnt. Da eine solche Vergütung erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben kann, wird seit vielen Jahren darüber diskutiert, ob die gesetzliche Vorschrift auf Franchiseverhältnisse anzuwenden ist. Es hatte sich die Auffassung gebildet, dass dem Franchisenehmer im Normalfall auch ein Ausgleichsanspruch zustünde. Für Kfz-Vertragshändler ist die Anwendbarkeit des § 89b HGB durch die Rechtsprechung seit langem anerkannt. Aus diesem Grund müsse dem Franchisenehmer, so die herrschende Ansicht, erst recht ein Ausgleichsanspruch zustehen. Der Franchisenehmer sei noch intensiver als ein Kfz-Vertragshändler in eine fremde Absatzorganisation eingebunden.

Die Ansicht befindet sich im Wandel. Einige Franchise-Experten wollen nun nach der Art des Franchisesystems differenzieren. Der Ausgleich soll nur in Betracht kommen können, wenn Inhalt des Franchisekonzepts der Vertrieb bestimmter Waren des Franchisegebers ist, bei allen anderen Franchisesystemen (Dienstleistungsfranchising etc.) hingegen nicht mehr. Auslöser ist das höchstrichterliche Urteil zu einem Lizenzvertrag der bekannten Marke „Joop!“ aus 2010. Joop hatte es dem Lizenznehmer gestattet, unter der Marke Bekleidungsartikel herzustellen und zu vertreiben. Der Bundesgerichtshof urteilte, dem Lizenznehmer stehe kein Ausgleichsanspruch zu, da er nicht wie ein Handelsvertreter in eine fremde Absatzorganisation eingegliedert gewesen sei.

Ob das Urteil in Zukunft für Franchisefälle maßgebend sein wird, ist zweifelhaft. Ein Franchisenehmer wird wohl als eingegliedert angesehen werden müssen, wenn er dem typischen Pflichtenkatalog unterliegt:

  • Systemanwendungspflicht
  • festgelegtes Vertragsgebiet
  • Pflicht zur Wahrung des guten Rufs des Franchisesystems
  • Pflicht zur Verwendung und Schutz der Marke und des Logos des Franchisegebers
  • Einhaltung der Vorgaben für einheitliches Erscheinungsbild
  • Konkurrenzverbot
  • Berichts- und Informationspflichten gegenüber dem Franchisegeber
  • Kontroll- und Einsichtsrechte des Franchisegebers

Dieser Pflichtenkatalog führt zur Unterordnung unter das Interesse des Franchisegebers am Erhalt der Funktionsfähigkeit des Franchisesystems. Die Pflicht zur Wahrung der übergeordneten Interessen des Unternehmers prägt aber auch das Handelsvertreterverhältnis. Insoweit kann die Vergleichbarkeit der Lage des Franchisenehmers nicht abgestritten werden.

Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Franchisenehmer regelmäßig einen Ausgleichsanspruch geltend machen kann. Der wesentliche Unterschied zum Handelsvertreter besteht darin, dass der Franchisenehmer keine Geschäfte vermittelt, sondern selber Leistungserbringer gegenüber seinen Kunden ist. Mit Recht lässt sich die Frage stellen, welche Vorteile dem Franchisegeber aus einem Kundenstamm verbleiben sollten, den er bislang nicht beliefert hat und womöglich nicht einmal kennt.

Ein Ausgleichsanspruch kann nur in Betracht kommen, wenn der Franchisenehmer verpflichtet ist, den Kundenstamm an den Franchisegeber zu übertragen. Zwar muss sich die Übertragungspflicht nicht ausdrücklich im Franchisevertrag wiederfinden. Erforderlich ist, dass der Franchisegeber den Kundenstamm identifizieren kann, um ihn nach Ausscheiden des Franchisenehmers weiter nutzen zu können. Dies ist der Fall, wenn der Franchisenehmer den ganzen Betrieb zu übertragen hat oder der Franchisegeber aufgrund bestimmter Informationspflichten schon während des laufenden Franchiseverhältnisses Kenntnis von den Kunden erhalten hat. Ausreichend kann es auch sein, dass dem Franchisegeber das Ladenlokal zu überlassen ist, wenn damit zu rechnen ist, dass die Kunden wie beispielsweise bei einer Bäckerei-Verkaufsstelle ihr Einkaufsverhalten wegen des Inhaberwechsels nicht ändern werden.

Darüber hinaus ist wesentlich für einen Ausgleichsanspruch, dass dem Franchisegeber aus den vom Franchisenehmer aufgebauten Geschäftsbeziehungen ein nicht unerheblicher Vorteil verbleibt. An diesem Punkt wird man wohl in der Tat nach dem Inhalt des Franchisekonzepts differenzieren müssen. Bietet der Franchisegeber selber das Produkt oder die Leistung gegenüber den Endkunden gar nicht an, hat er richtig gesehen auch keinen Vorteil, der ihm aus dem Kundenstamm des Franchisenehmers verbleibt. Denn als Vorteil im Sinne des Gesetzes gilt die Aussicht auf Folgeschäfte mit den geworbenen Kunden. Wenn das Franchisesystem nicht darauf ausgerichtet ist, bestimmte Waren des Franchisegebers abzusetzen, ist ein Vorteil in diesem Sinne nicht ersichtlich. Dass es allgemeinhin günstig ist, einen bereits am Markt eingeführten Standort an einen neuen Franchisenehmer zu übertragen, kann einen Ausgleichsanspruch nicht rechtfertigen.

Zusammenfassung als Schaubild:

27.10.14 © copyright Dr. Wolfgang Kroll

Dr. Wolfgang Kroll
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