Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Aufbau von Greenfranchise-Systemen

Veronika Bellone: Schönen
guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. Ich bin gespannt auf
Ihre Fragen und freue mich auf einen anregenden Chat. Ihre Veronika
Bellone

Leser: Auch Ihnen einen schönen guten Morgen!
Zu meiner ersten Frage: Worin unterscheiden sich die Marken im Greenfranchising
von der Mehrheit der heutigen Franchise-Systeme?

Veronika Bellone: Greenfranchise-Systeme agieren auf vier Ebenen nachhaltig – auf der
ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Ebene. Sie bieten ihren
Franchise-Partnerinnen und -Partnern eine Existenzgründungsmöglichkeit an, die
ganzheitlich durchdacht ist und Belange der sozialen, kulturellen und
ökologischen Umwelt berücksichtigt.

Leser: Guten Morgen, Frau Professor Bellone.
Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem Green Franchise Award, der kürzlich vom
DFV angekündigt wurde?

Veronika Bellone: Zuerst einmal
freue ich mich, dass er ausgelobt wird. Ich freue mich, dass das nachhaltige
Denken und Handeln im Franchising Einzug hält und vom DFV unterstützt und
wertgeschätzt wird. Seit dem Start unserer Initiative zum Greenfranchising bin
ich fest davon überzeugt, dass nachhaltiges Handeln echte Wettbewerbsvorteile
birgt.

Leser: Hallo Frau Prof. Bellone: Müssen für
den Aufbau eines Greenfranchise-Systems bestimmte Voraussetzungen vorliegen?
Gelten diese Voraussetzungen auch für eine Neuausrichtung eines bestehenden
Franchise-Systems?

Veronika Bellone: Es gibt
grundlegende Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen wie Standardisierbarkeit
des Konzeptes, Markenprofilierung, Organisationsstruktur, Multiplizierbarkeit,
dokumentiertes Know-how, Partnermarketing und Innovatiospotenzial. Beim
Greenfranchising kommen noch “Bausteine” hinzu wie: Verantwortungsübernahme,
integrale Zielformulierung, Ethische Kompetenz und Innovationspotenzial nicht
nur im Sinne der Systemaktualisierung sondern auch im Sinne gesellschaftlicher
Neuerungen.

Leser: … und welche Faktoren sind im
Greenfranchising erfolgsentscheidend?

Veronika Bellone: Es ist die
“Summe seiner Teile”. Das ganzheitliche Denken des Geschäftskonzeptes. Welchen
ökonomischen Erfolg können die Partner/innen und der System-Geber/ die Geberin
erzielen und wie verhält sich das vor dem kulturellen, sozialen und ökologische
Hintergrund.

Leser: Guten Morgen! Ich muss gestehen, dass
ich die Greenfranchise-Thematik bisher nicht verfolgt habe. Wenn ich Sie richtig
verstehe, subsumieren Sie unter diesem neuen Begriff eine bestimmte
werteorientierte Haltung auf so unterschiedlichen Gebieten wie Kultur und
Umwelt?

Veronika Bellone: Vielen Dank für
Ihre Frage, wir haben ihn 2008 in den deutschsprachigen Raum eingeführt. Wie ich
oben schon erwähnte, umfasst Greenfranchising die vier Nachhaltigkeitsbereiche:
Ökonomie, Ökologie, Kultur und Soziales. Damit haben wir die drei
Nachhaltigkeitssäulen des Deutschen Nachhaltigkeitsrates um die vierte Säule
Kultur erweitert. Unternehmen wie die MIGROS in der Schweiz agieren nach diesem
Prinzip bereits seit 1959.

Leser: Hallo! Suchen wir – überspitzt
formuliert – demnächst „Öko-Freaks“ als Franchise-Partner?

Veronika Bellone: Nein, wir
suchen nachhaltig und ganzheitlich Verantwortung übernehmende Menschen auf
beiden Seiten – als Franchise-Geber/innen wie Franchise-Nehmer/innen.

Leser: Der gesellschaftliche Nutzen einer
umweltfreundlichen Geschäftspolitik leuchtet mir ein. Was aber habe ich als
Unternehmer davon? Welche konkreten Vorteile?

Veronika Bellone: Wenn Sie z.B.
auf Energie-Effizienz in der Systemzentrale wie 50 angeschlossenen
Franchise-Betrieben achten, die Transportwege optimieren wie beim
Franchise-System Rüegg-Cheminée, auf Reduzierung von Verpackungsmaterial achten
wie beispielweise bei einigen Lizenzmarken aus dem Sportartikelbereich dann hat
das ökonomische wie ökologische Vorteile. Wenn Sie, wie bei einigen
Gastro-Systemen, Handels- und Kosmetik-Franchise-Unternehmen üblich, ökologische
und/oder soziale Projekte lancieren, dann motiviert das nicht nur die
Franchise-Partnerinnen sondern auch potenzielle Zielkunden und -kundinnen bei
diesen Marken einzukaufen.

Leser: Was verstehen Sie unter einer
“integralen Zielformulierung”? Warum sollte die von Ihnen geforderte
werteorientierte Haltung eines Franchise-Systems vom Endkunden wahr genommen und
honoriert werden?

Veronika Bellone: Wir haben den
Ansatz von George T. Doran zur Zielformulierung “SMART” (Specific Measurable
Accepted Realistic Timely) um das Integrale erweitert (SMARTI). Dieser
ganzheitliche Ansatz spielt eine wesentliche Rolle im Greenfranchising. Denn er
misst die eigenen Zielformulierungen an den möglichen Auswirkungen für das
ökonomische, ökologische, kulturelle und soziale Umfeld. Denn Nachhaltigkeit
kann man nicht “ein bisschen” leben. Endkunden sind da sehr rührig und
verfolgen, ob jemand Greenwashing betreibt oder wirklich verantwortungsvollen
Einsatz zeigt. Diverse Blogs zeugen davon.

Leser: Mir war die Verleihung eines Green
Franchise Awards durch den DFV noch nicht bekannt. Kommen dafür nur
Verbandsmitglieder in Betracht? Welche Kriterien werden bei der Preisverleihung
zugrunde gelegt? Wie viele Unternehmen werden pro Jahr ausgezeichnet?

Veronika Bellone: Na, das ist ja
fein, dass Sie über diesen Chat davon erfahren. Sie können die
Bewerbungsunterlagen mit Kriterien vom DFV erhalten
http://www.franchiseverband.com/green-franchise-award.html. Die Frist läuft noch
bis zum 28.3.13. Sie können auch als Nicht-Mitglied teilnehmen. Es gibt zur
Premiere in diesem Jahr ein Unternehmen, das für seine beispielhaften
Aktivitäten im Nachhaltigkeitsbereich ausgezeichnet wird.

Leser: Ich finde es wirklich sympathisch, dass
Sie den Blick der Franchisegeber auf die Chancen einer grünen Ausrichtung
lenken. Gerne würde ich aber auch erfahren, wo Sie die Risiken einer Umstellung
sehen?

Veronika Bellone: Risiken
bestehen, wenn die Thematik nicht ernsthaft durchdrungen, d.h. nur zu
“Marketingzwecken angeteasert” wird. Das bedeutet u.a. auch, dass die Ethische
Kompetenz vom System-Geber bzw. der System-Geberin vorgelebt werden muss, um
auch die Franchise-Partner/innen davon zu überzeugen. Die Franchise-Struktur
eignet sich hervorragend, um “Gutes” verantwortungsvoll über selbstständige
Partner/innen zu multiplizieren. Dafür muss es jedoch entsprechend formalisiert
werden.

Leser: Wird ein Franchise-System, dass sich zu
einem nachhaltigen Wirtschaften bekennt, nicht besonders kritisch in der
Öffentlichkeit beobachtet? Fehler unterlaufen jedem Unternehmen und wir sind
alle manchmal auf Nachsicht oder Unaufmerksamkeit der Öffentlichkeit angewiesen.
Ich hätte bei einer entsprechenden Positionierung Angst, dass beim geringsten
Fehler ein Shitstorm im Internet losbricht.

Veronika Bellone: Meine Erfahrung
ist, dass Fehler verziehen werden, jedoch Ignoranz gegenüber effektiv
notwendigen Aktivitäten im Rahmen der Nachhaltigkeit immer weniger toleriert
wird. Ehrlichkeit ist der absolute Massstab. Ziele formulieren und ehrlich
darstellen, an welcher Stelle man sich zurzeit befindet. Konsumenten und
Konsumentinnen wie auch Franchise-Partner und -Partnerinnen honorieren ehrliche
Bemühungen.

Leser: Wie kommt es bei den Franchise-Partnern
und Mitarbeitern an, wenn ihre Systemzentrale eine Schrittmacherrolle in Fragen
der Nachhaltigkeit anstrebt? Ist eine Polarisierung zwischen Befürwortern und
Gegnern zu erwarten?

Veronika Bellone: Meine Erfahrung
– gerade bei der Restrukturierung von Systemen – ist, dass die frühzeitige
Einbindung der Franchise-Nehmer/innen wichtig ist. Wenn Sie eine neue Rolle
definieren möchten, dann sind Fragestellungen zur aktiven Einbindung wichtig.
Wer übernimmt z.B. von den Partnern und Partnerinnen die interne Rolle einer
“Patenschaft” oder Moderation, um das Thema zu begleiten und andere zu
begeistern (wie es z.B. bei der Outdoor-Marke MAMMUT der Fall ist). Das
Initiieren von Projekten zur Zielerreichung unter Berücksichtigung ökonomischer
Zielsetzungen ist wichtig und motiviert Franchise-Nehmer/innen, weil sie aktiv
mitgestalten können und so auch Vorurteilen begegnen können.

Leser: Werden die Franchise-Verbände in
Österreich und der Schweiz künftig ihren eigenen Green Franchise Award
verleihen?

Veronika Bellone: Noch können
sich beim diesjährigen Green Franchise Award auch Systeme aus Österreich und der
Schweiz bewerben. Wie sich der Award weiter entwickelt, ob es für jedes Land
eine Auszeichnung geben wird oder aber, ob der Preis rotieren wird, ist zurzeit
noch offen und wird die Entwicklung zeigen.

Leser: Worauf ist beim Aufbau eines
Greenfranchise-Systems besonders zu achten? Welche häufigen Fehler müssen dabei
vermieden werden?

Veronika Bellone: Zu den
häufigsten Fehlern zählen, dass man das Thema entweder aufschiebt und glaubt,
dass es einen nicht betrifft. Oder aber, dass man es nur partiell sieht und
bearbeitet. Wenn wir uns die letztjährige Zahlenangabe des DFV anschauen, dass
von ca. 1’000 Franchise-Systemen in Deutschland 570 unter 20
Franchise-Partner/innen vorweist, dann spricht das für sich und für eine
bedenkliche ganzheitliche Nachhaltigkeit. Wird Nachhaltigkeit beispielsweise nur
auf Ökologie reduziert, werden die ökonomisch positiven Auswirkungen oft nicht
wahrgenommen.

Leser: Ist der Aufbau eines auf Nachhaltigkeit
ausgerichteten Franchise-Systems zeitaufwendiger und schwieriger für den
Franchise-Geber? In welchen Schritten sollte er vorgehen?

Veronika Bellone: Am Anfang muss
der Status bestimmt werden. Wofür möchte ich als Unternehmung stehen, welche
internen Möglichkeiten habe ich? Haben Sie bereits Partner/innen integriert, mit
denen Sie eine Neupositionierung vornehmen können? Im Aussen ist es ein
Branchenvergleich. Welches Unternehmen in meiner Branche zählt vom nachhaltigen
Standpunkt zu den Vorbildern. Und dann ein Blick auf branchenfremde Unternehmen,
die nachhaltig gut aufgestellt sind. Wie nutzbringend ist heute Ihr Angebot aus
Kunden-/Kundinnensicht? Was lässt sich optimieren und welchen nachhaltigen
Ansatz können Sie dabei integrieren aufgrund Ihrer angestrebten
Neupositionierung. Sie müssen als erstes eine SWOT-Analyse vornehmen, um aus den
Chancen und Gefahren, Stärken und Schwächen Ihr Konzept neu zu modellieren.

Leser: Welche Felder eignen sich vorrangig für
die Neuausrichtung eines Franchise-Systems im Dienstleistungssektor? Sie nannten
bereits Beispiele aus anderen Sektoren.

Veronika Bellone: Zum Beispiel
Energie- und Mobilitätsberatung. Letztere kann die Optimierung eines Wagenparks
sein oder die Zurverfügungstellung nicht genutzter Fahrzeuge von Mitarbeitenden
und/oder Partner/innen (m-way.ch berät z.B. B2B-Kunden darin). Dies sind z.B.
Felder, die man als DL-Unternehmen anschauen kann. Für Anbieter von
Dienstleistungen im Nachhaltigkeitsbereich gibt es diverse Möglichkeiten:
Energie-Messungen und -Beratungen, Mediation in Unternehmen, Schulungen,
Zertifizierungen etc.

Leser: Was ändert sich in der Systemkultur bei
einer Entscheidung zugunsten von Greenfranchising? Bedeutet eine solche
Neuausrichtung auch veränderte Umgangs- und Kommunikationsformen? Sehen Sie
weiteren Anpassungsbedarf, evtl. auch vertraglicher Art?

Veronika Bellone: “Ein
ökologisches bzw. nachhaltiges Gewissen lässt sich vertraglich nicht erzwingen
…” Aus dem Beitrag der Rechtsanwältin Ruth Duenisch von www.tcilaw.de in
unserem Buch “GREEN FRANCHISING” www.mi-wirtschaftsbuch.de . Die nachhaltige
Werthaltung muss sich in der Unternehmensphilosophie spiegeln und im
Partnermarketing. Die ethische Werthaltung muss sich in der Auswahl der
Partner/innen und dem nachfolgenden Umgang zeigen. Es gilt also, das
Franchise-Konzept als Existenzgründungspaket einer ebensolchen Prüfung zu
unterziehen, inwiefern die nachhaltige Verantwortung auch hier gelebt wird.

Leser: Verstehe ich Sie richtig, dass bei der
Standardisierung, Multiplikation und Dokumentation von Franchise-Betrieben rein
technisch alles beim Alten bleibt? Welche Folgen hat die neue Ausrichtung für
die Organisationsentwicklung, insbesondere was Funktionen, Hierarchieebenen und
Ablaufprozesse betrifft?

Veronika Bellone: Wertschätzung
für die Partner/innen heisst natürlich auch Mitsprache. Gemeinsam Verantwortung
tragen, gemeinschaftlich und gleichberechtigter das Gesamtunternehmen
weiterentwickeln. Die neue Nachhaltigkeitsperspektive betrifft alle Bereiche des
Franchise-Systems. Ganz neue Geschäftskonzepte in neuartiger Struktur werden
entstehen, traditionelle Franchise-Systeme werden sich verändern.

Leser: Wenn ich Ihre Überlegungen auf das
Marketing übertrage, wäre auch die Kommunikation mit dem Endkunden zu
überdenken. Brauchen wir weniger Schlagworte und Verführung, dafür aber mehr
Ehrlichkeit und Transparenz? Können wir damit im Wettbewerb wirklich punkten?
Geht eine sachliche Nutzenargumentation in der schrillen Werbelandschaft nicht
unter?

Veronika Bellone: Hier möchte ich
gerne Bezug zu unserem Buch “GREEN FRANCHISING” www.mi-wirtschaftsbuch.de
nehmen. Morgan Cassidy, CEO von Interbrand Central and Eastern Europe geht darin
auf die Global Green Brands 2012 ein. Nachhaltiges Tun muss sich in der
Kommunikation eindeutig wiederfinden. Ist das nicht der Fall, wird das
Markenkapital entweder nicht voll ausgenutzt oder aber “überzogen”. Im letzteren
Fall sprechen wir von Greenwashing. Ja, das Marketing und die Kommunikation
müssen ebenfalls nachhaltig gedacht und realisiert werden.

Leser: Was ist die konkrete unternehmerische
Zielsetzung im Greenfranchising, da materielle Ziele wohl nicht mehr im
Vordergrund stehen?

Veronika Bellone: Wie zu Beginn
des Chats dargestellt, konzentriert sich Greenfranchising auf die ökonomische,
ökologische, kulturelle und soziale Nachhaltigkeit. Die wirtschaftliche
Zielsetzung wird ganz klar weiterverfolgt, aber in ganzheitlicher
Verantwortungsübernahme, “von der Wiege bis zur Bahre”.

Veronika Bellone: Liebe
Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, vielen Dank für Ihre Fragen. Denken Sie
daran: noch bis zum 28.3.2013 läuft die Bewerbung für den ersten DFV Green
Franchise Award. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dafür. Herzlichst Ihre Veronika
Bellone

Prof. Veronika Bellone
Prof. Veronika Bellone
Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

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